RE: NOCTHA 2 - Story - 5

Mit einer Rolle, rolle ich mich vom Dach ab. Fluche als hinter mir das Haus brennt. Wieder zwei Kameraden verloren. Ich sehe mich um, das HK 416 im Anschlag. Der Qualm zieht über die Straße. Ich entferne mich zu einem der Häuser auf der anderen Straßenseite. Wer auch immer den Heli abgeschossen hatte, war maximal einen Kilometer entfernt. Ich werfe mich gegen die Haustür des Hauses. Sie hält stand. Das Gewehr zielt auf das Schloß. Pok Ein Schuss löst sich aus dem Gewehr und hinterlässt ein Loch neben dem Türgriff. Pok ein zweier Schuss, über dem Türgriff. Ich trete ein paar mal gegen die Haustür, ehe sie quietschend aufschwingt. Ich sondiere den Flur, lausche. Nichts, außer das knacken des Feuers hinter mir. Das Adrealin treibt mich ins Haus. Ich drücke die Tür zu, so das sie zumindest anlehnt. Gehe ins Wohnzimmer, werfe mich an die Wand und gehe in die Hocke neben dem Fenster. Mein Blick geht die Straße hinab. Ich lege das Gewehr an und schaue durch das Visier in die Richtung aus der wir geflogen kamen. Häuser, Zäune, ein paar Bäume und Mülltonnen. Dann sind weitere Schüsse zu hören. Mittleres Kaliber. Der Lautstärke nach nur ein paar Hundert Meter entfernt. Pok pok pok Ich schließe die Augen, und lausche. Kaliber 5,56 denke ich mir. Pok Kleinkaliber. Ich atme tief ein. Der Feind hatte also nicht nur Raketenwerfer, sondern auch Sturmgewehre und Pistolen. Wer war es? Eine Gang? Milizen? Vom Heli hatte ich nicht viel gesehen. Wir mussten aber ein paar erwischt haben. Dann kommt ein Mann hinter einer Wand hervor, die zu einem Grundstück führt. Er trägt einen orangen Overall und ein M16. Sträflinge. Ich ziele und warte. War schießen gut? Ich wusste nicht wie viele noch da draußen waren und ein Feuergefecht würde meine Position verraten. Ich warte. Den Mann im Visier. Bald tauchen drei weitere auf der Straße auf, sich dem Absturzort nähernd.

Der Schmerz in meinem Bein kommt spät, aber er trifft mich mit der Wucht einer Abrissbirne. Das Bein gibt unter mir nach und ich sinke wieder zu Boden. Der Rauch des Feuers sorgt schnell dafür, dass ich nichts mehr erkennen kann und jeder Atemzug höllisch brennt. Im grau, schwarzen Qualm sehe ich orange Flammen tanzen. Orange Flammen die sich zu Händen formen. Hände, die ihre Finger nach mir ausstrecken. Das Knistert der Flammen wird zu einem leisen Flüstern. Geflüsterte Versprechen. Versprechen auf Frieden, ein Leben ohne Schmerzen.
Ich huste, schüttle den Kopf, versuche angestrengt einen klaren Gedanken zu fassen. Vergeblich. Das anfängliche Flüstern schwillt an, wird lauter. Die Hitze wird unerträglich und das Atmen zur Qual.
Ich müsste nur liegen bleiben.
Einfach nur liegen bleiben.
Nur noch ein einziges Mal unerträgliche Qualen. Nur für einen kleinen Augenblick.
Und dann wäre es vorbei. Kein Schmerz mehr. Kein Kampf mehr. Einfach nur Frieden.
Einfach nur Frieden...
Ich muss nur liegen bleiben... einfach nur... Mein Kopf sackt zu Boden.
Frieden... Ich schließe die Augen. Frieden...

Hände packen mich. Ziehen und zerren. Reißen mich fort von der alles verschlingenden Schwärze und bringen den Schmerz wieder. Kurz darauf verschwindet die Hitze. Die Luft wird besser und das atmen fällt leichter. Ich blinzle, rolle mich hustend zur Seite. Ich kann Dana erkennen. Blair und Sam. Gut, sie waren draußen. Ich drehe den Kopf. Suche nach Rhain, Tia und meinem Bruder. Vergeblich. Ich stemme mich halb in die Höhe. "Die anderen?"

Nach einer gefühlten Ewigkeit kommt Sam mit Jared im Schlepptau aus dem brennen Haus gekrochen. Sie lassen sich erschöpft auf das Gras sacken. Wo sind die anderen? Irgendwo höre ich jemanden brüllen, auch wenn ich über das Knistern des Feuers und das Knacken des einstürzenden Hauses nicht genau verstehen kann was. Klingt wie eine Frau. Tia? Oder Rhain?
“Wir sind hier!”, rufe ich so laut es geht zurück. “Wir sollten hier dringend weg!”, meine ich zu den anderen während uns die Hitze entgegen schlägt, “Zu den Autos! Schnell!” Ich hoffe inständig, dass es die noch nicht erwischt hat und versuche Sam, der sich eben noch die Seele aus dem Leib gekotzt hat, übel im Gesicht blutet und scheinbar bewusstlos ist, hoch zu zerren.
“Los! Lauft, ich mach das schon!”, dränge ich Dana, die sich kaum auf den Beinen halten kann, mir aber trotzdem mit Sam helfen will. Ich gehe in die Hocke und stemme Sam mühsam ein Stück hoch, um ihn unter den Achseln zu fassen. Jetzt bin ich froh, dass Dana vor den Fahrstunden einen Erste-Hilfe-Kurs von mir verlangt hat, auch wenn ich mir ziemlich sicher bin, dass dort irgendwie alles einfacher wirkte.
Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie Jared sich mit Danas Hilfe auf die Beine kämpft. Mehr schlecht als recht, aber Hauptsache weg. Beide humpeln sich gegenseitig stützend Richtung Auffahrt während ich Sam vor Anstrengung stöhnend mit mir schleife. Sind Bewusstlose eigentlich extra schwer?
In der Einfahrt angekommen lasse ich Sam erschöpft zu Boden gleiten. Zum Glück sind hier die Flammen noch nicht so zu spüren, aber das ist nur eine Frage von Minuten. Der Rauch verpestet auch hier alles, kratzt im Rachen, brennt in den Augen und vernebelt die Sicht.
Fast am Ende ihrer Kräfte lehnen Dana und Jared am Wagen. “Abgeschlossen”, seufzt Dana während Jared die Hausfront entlang deutet. “Da! Die anderen!”
Ich kann in einiger Entfernung Leute erkennen und brülle erneut lauthals: “Tia! Travis! Rhain! Zu den Autos!” A propos Autos! “Dana, wo sind die Schlüssel?”
“Im Flur”, erwidert sie und deutet Richtung Haustür. Mist! Durch die bin ich schon heute Morgen nicht durchgekommen, weil sie abgeschlossen ist. Also wieder durch’s Badezimmerfenster. Immerhin kenne ich den Weg jetzt.
Schnell renne ich um den Eingang herum und steige wieder durch das Fenster ein. Im Badezimmer ist es noch relativ rauchfrei, trotzdem mache ich mir am Waschbecken eilig das T-Shirt nass und halte es mir vor den Mund.
Im Flur schlägt mir eine Rauchwand entgegen und ich versuche etwas zu erkennen. Ein paar Tüten stehen hier herum und auch ein kleines Sideboard. Da! Zum Glück muss ich nicht lange suchen. Ich greife mir den Schlüssel, die dort liegen und eile zur Tür. Hektisch fummle ich mit einem der gefundenen Schlüssel am Schloss herum. Endlich, der passt! Draußen drücke ich auf den Knopf des Autoschlüssels und mit einem Signalton ist das Entriegeln von Türen zu vernehmen. “Alles einsteigen bitte!”

Ich sehe zu Tia, die neben mir steht und nickt. Gut. Sie würde mir also helfen. Also nochmal rein in die Hölle. Ich ziehe meine Jacke aus und schlüpfe aus dem Pullover und knote zwei Ärmel zusammen und sehe dann zu Tia. So hätte ich einen Radius von ca. 4 Metern. Reichte um vom Fenster einmal die Küche zu durchsuchen.
"Bleib am Fenster stehen und geb mir soviel Freiraum wie möglich." Ich iehe mir das T-Shirt über Mund und Nase, drücke ihr einen Ärmel in die Hand und betrete die brennende Villa durch das Fenster ohne auf eine Zustimmung von Tia zu warten. Der Rauch und die Hitze rauben mir sofort wieder den Atem und die Sicht. Ich lasse mich auf alle viere sinken und beginne mich durch die Küche zu Tasten.
Nichts.
Verdammte scheiße hier war nichts.
Hier musste jemand sein. Einer von ihnen musste hier sein.
Ich taste weiter, auch wenn mir atmen kaum noch möglich ist, bis ich ans Ende meines provisorischen Seils komme.
Immer noch nichts. Waren Sie doch schon draußen? Hatten sie es doch schon alle geschafft?
Ich bin gerade im Begriff umzudrehen, da ertasten ich einen Fuß. Ich taste weiter, bis ich am Rücken angelangt bin. Ich nehme die Person hoch, hangle mich an dem Pullover und der Jacke zurück. Als ich durch das Fenster nach draußen klettere fühlt es sich an als hätte ich gerade im Lotto gewonnen.

So langsam komme ich wieder zu Bewusststein. Nicht dieses '...meh, ich mag noch nicht aufstehen, es ist doch Samstag...' Sondern mehr dieses 'ALARM... ALARM...' Ich zucke zusammen, rutsche an der Autotüre nach unten und muss mich abfangen um nicht mit dem Gesicht auf den Boden zu klatschen. Zappelnd raffe ich mich auf, als hinter mir eines der Autos piept.

“Alles einsteigen bitte!” trällert Blair. Sind wir hier auf ner Kaffeefarht oder was? Will sie uns gleich Heizdecken verkaufen? Brauchen wir nicht! Es ist warm genug, weil... WEIL DA EIN HAUS BRENNT! Fuck. Ich zappel schon wieder herum, schaffe es aber dabei endlich auf zu stehen, mich um zu schauen und die Situation irgendwie zu erfassen. Irgendwie. Dana reißt die Tür des Pick-Up auf und versucht wohl gerade Jared hinein zu verfrachten Blair kommt auf uns zu und wedelt mit den Armen, die Autoschlüssel in ihren Händen baumelnd. Ich hoffe zumindest dass es die Autoschlüssel sind. Als wolle sie mich stumm ermahnen, piept der Aston Martin hinter mir und ich zucke kurz zusammen. "Wo sind die Anderen?" Ich kann weder Rhain noch Tia noch Travis entdecken. Warte... Blair kam aus Richtung Haus. War sie da nochmal drin? Die Schlüssel lagen doch im Eingangsbereich bei den Tüten! Und woher wusste sie das? Ist ja auch egal, sie steht, oder rennt besser gesagt hier draußen herum. Aber es gibt immer noch keine Spuren der Anderen. Etwas im Haus knackt erbärmlich laut und ein Teil des Daches sackt ein. Alle schrecken auf. Ich sehe, wie die Flammen beginnen unter dem Garagentor heraus zu schlagen. Da drinnen stehen noch zwei Wagen. "Fuck... Wo sind die Anderen? Ist noch jemand drin? Blair?" Sie schüttelt den Kopf. Das muss nichts heissen, vielleicht hat sie nur niemanden gesehen. Oder war nur in dem einen Raum. Oder... Ich stoße mich vom Fahrzeug ab, will zur Tür, aus der sie scheinbar gerade herauskam, doch komme ich kaum einen Schritt weit. Im Eingansgbereich bricht ein Balken herab und es scheint, als würde Smaug selbst mich davon abhalten wollen wieder ins Haus zu gelangen. Eine Welle glühender Hitze gefolgt von roten Funken schlägt mir entgegen und ich halte beide Unterarme vor mein Gesicht. Vorne rum kann man vergessen! Ich schaue nochmal zu Jared, Dana und Blair und hoffe inständig, dass wenigstens Zwei von ihnen in der Lage sind ein Auto zu fahren. Zeit zu fragen bleibt keine. Aber Blair hatte doch Fahrstunden? "Schafft die Autos weit genug weg!" rufe ich und stolpere los um mir einen Weg um das Haus herum zu suchen. Entweder sind die anderen raus gekommen und ich hoffe inständig, dass sie das sind oder es gibt irgendwo noch einen Weg rein.

"Oder?" 'Darüber denke ich nicht nach, solange ich keine Gewissheit habe!'

Im Haus tut es einen Schlag und irgendwas explodiert. Aus einem der oberen Fenster fliegen Trümmer, aber weit genug weg, als das sie mir irgendwie gefährlich werden könnten. Dennoch lassen sie mich nachdenken. Die Autos in der Garage... Das letzte Haus hatte einen Gasofen... Der Helikopter im Dach, bewaffnet... Heizungsanlage... Vielleicht Gasflaschen für ein Barbecue... Das Ding ist eine verdammte Zeitbombe. Mal ganz davon abgesehen, dass es ein Leuchtfeuer für alles ist, was sich an die tagelange Stille in Charleston gewöhnt hatte. Ich stapfe weiter und kann tatsächlich jemanden erkennen. Meiner Meinung nach viel, viel zu nah am Haus dran. Tia! Sie starrt in eines der Fenster als plötzlich jemand im roten Schein des Infernos auftaucht. Travis! Und Rhain hat er im Schlepptau. Erleichterung macht sich breit, aber nur kurz. Sofort setzt die Panik wieder ein. Ich krächze so laut es geht: "Hier!" Um meinem Worten mehr Ausdruck zu verleihen, fuchtel ich mit den Armen in der Luft herum und gehe weitere Schritte auf die Drei zu. "Wir sind alle raus! Verschwinden wir, bevor das Ding hoch geht!" Eigentlich will ich mich dem Haus nicht nähern, aber so lange ich laufen kann, kann ich auch helfen. Also schaue ich, ob sie Hilfe brauchen und winke dabei einfach nur in Richtung der Autos, die hoffentlich weit genug entfernt stehen um keinen Schaden zu nehmen.

"Los kommt, Tia, Travis! Weg hier!"

Angeloggt vom brennenden Haus. Nähern sich 7 Männer in orangen Overalls. Auf ihrem Rücken die Aufschrift Charleston Prison.
"Hier muss es irgendwo gewesen, Vik", spricht einer der Häftlinge zu den anderen.
"Meinst du? Was macht dich so sicher? Das Haus was nun brennt, was vorher nicht da war, Greg?"
Ein Dritter geht dazwischen: "Schnauze ihr Zwei! Die Army könnte noch hier sein!"
Ein Vierter kichert, ihm fehlt das linke Auge und nur ein großes schwarzes Loch ziert die Höhle, wo eins das Auge war, die Ränder verbrannt. Er leckt mit der Zunge über sein Messer: "Ich hoffe sie leben noch. Grüne Haut abziehen. Uhhg.. ich freue mich", wieder kichert er.
Ein Fünfter mischt sich ein. Afroamerikaner: "Vielleicht hätten sie uns mitgenommen, wenn wir gefragt hätten."
Der Häftling mit dem Namen Vik bleibt stehen und schaut den Afroamerikaner an: "Hab vergessen zu Fragen, Will. Das nächste Mal frag ich einen, bevor ich ihm in den Kopf schieße", dabei legt er sich seine Pistole an die Schläfe für 1 Sekunde und fuchtelt wieder damit herum.
"Vik? Horch Mal!"
Die Truppe verstummt. Die Stimme von Dana ertönt: "Alles einsteigen!"
Vik grinst. Dann fragen wir das Vögelchen doch Mal, ob sie uns mitnimmt.
Geduckt bewegen sie sich um die Zäune und sehen das Auto von Dana vor sich. "Ugh!", pfeift der Häftling mit dem Messer und dem fehlenden Auge. "Die gehört mir!" Schon nähert er sich der ahnungslosen Dana und geht hinter einer Mülltonne in Deckung.

Während die Häftlinge sich auf der Straße verteilen und sich dem Wagen einer Frau nähern, die es aus dem Haus geschafft hat, warte ich. Ich war alleine und das waren sieben. Aber warum rief sie einsteigen? War sie eine Komplizin? Wartete sie auf die Häftlinge? Einer der Männer nähert sich ihrem Heck. Sie im Visier, wie ein Jäger ein Reh.
Ich sehe mir die Gruppe an. Ich musste mich erst um die großen Kaliber kümmern, als um einen Mann mit einem Messer.
Ich lege nun erneut an, diesmal einen Häftling im Visier mit einem M16. Ich ziele auf den Kopf und drücke ab. Ein ohrenbetäubender Knall zerreißt die Stille und verschluckt das Knistern des Feuers. Der Häftling sackt zu Boden.

Dana hilft mir zum Auto und für einen Moment fühle ich mich auf den Jahrmarkt zurück versetzt. Auch da hatte sie mir geholfen und mich zum Auto geschleppt. Zum tausendsten Mal verfluche ich diese verdammte Schusswunde, die schmerzhaft pocht und mich zu einem hilfsbedürftigen Krüppel macht. Ich sehe auf meinen Oberschenkel hinunter. Die Hose färbte sich schon wieder rot. Klar. Nicht genäht, nur behelfsmäßig verbunden und jetzt eindeutig zu viel beansprucht. Ich lehne mich gegen das Auto und sehe Blair, Dana und Sam an. Keine antwortet auf meine Frage.

"Fuck... Wo sind die Anderen? Ist noch jemand drin? Blair?"

Blair schüttelt den Kopf und Sam läuft los, verschwindet hinter der brennenden Villa. Bevor ich mir weiter den Kopf darüber zerbrechen kann, zerreißen Schüsse die Luft. Ich gehe automatisch in Deckung und greife nach der Waffe, die ich mir oben im Schlafzimmer in mein Hosenbund gesteckt hatte. Doch ich greife ins Leere. Ich sehe mich um, suche nach der Quelle der Schüsse und gleichzeitig nach meiner Waffe. Hatte ich sie schon im Haus verloren, oder erst draußen? Ich entdecke die Waffe in dem Moment, als ein weiterer Schuss knallt. Ich reiße meinen Blick von der Waffe los und entdecke jetzt bei der Auffahrt mehrere Männer. Alle in einem orangen Overall. Alle schwer bewaffnet. Einer von ihnen Tod am Boden. Die anderen gehen jetzt hektisch in Deckung. Irgendwo war ein weiterer Schütze. Einer, der uns half? Oder jemand, der uns alle über einen Kamm scherte und uns beseitigen wollte?
Ich werfe einen weiteren Sehnsüchtigen Blick zu meiner Waffe, die vor dem Haus im Gras liegt, bleibe allerdings in Deckung. Es wäre schon riskant gewesen sie zu holen, wenn ich nicht verletzt gewesen wäre. Jetzt wäre es einfach nur Selbstmord.

"Wir sind alle raus! Verschwinden wir, bevor das Ding hoch geht! Los kommt, Tia, Travis! Weg hier!"

Hatte ich richtig gehört oder hatte mein vom Rauch vernebeltes Gehirn mir diese Worte in den Kopf gesetzt? Hustend sehe ich mich um , entdecke schließlich Sam, der mit fuchtelnden Armen auf uns zu kommt. Alle draußen... Jared... Dana... Blair... Sam...

Sehr gut. Dann hatten wir alle die Hölle ein weiteres Mal überlebt.

"Ich kümmere mich um sie. Geh du lieber gucken, was da vorne los ist!"

Tia kommt auf mich zu und nimmt mir Rhain ab. Mehr schleifend als tragend, hievt sie die bewusstlose Rhain ein Stück fort von dem brennenden Haus und legt sie auf den Rasen. Was da vorne los ist? Mein Blick gleitet wieder zu Sam und ich lege die Stirn in falten. Was sollte denn da vorne los sein? Was...?
Ein Schuss hallt durch die Luft.
Hölle überlebt? Wie es scheint war meine Freude ein bisschen zu voreilig. Meine Finger tasten nach der Waffe, ertasten das kühle Metall. Gut. Nicht verloren. Leicht wankend und hustend eile ich an Sam vorbei um die zerstörte Villa herum. Dana und Blair sehe ich am Auto. Mein Bruder ist auch da. Er kauert am Auto und sieht aus, als würde er gleich vollends zusammenbrechen. Bei der Auffahrt kann ich vier Männer entdecken. Männer, die sich vor dem kompletten Zusammenbruch der Welt, allem Anschein nach hinter schwedischen Gardinen befunden hatten. Ein weiterer liegt auf dem Boden und rührt sich nicht mehr.
Ein Fluch verlässt meine Lippen, während ich zum Auto hechte und in Deckung gehe. Wirklich? Nach dem verdammten Hubschrauber, der in die Villa gekracht war und unser Leben beinahe beendet hätte, schickte uns das Schicksal jetzt auch noch Sträflinge? Bewaffnete Sträflinge? Und dann gleich vier?! Ich hatte nur zwei Schuss. Zwei verdammte Kugeln.
"Hast du den erledigt?", frage ich meinen Bruder.

Schüsse mischen sich unter das laute Knistern des Feuers und der knackenden einstürzenden Balken des Hauses. Reflexartig werfe ich mich auf den Boden und rolle mich hinter dem Wagen in Deckung. Travis kommt angerannt und vorsichtig spähe ich am Auto vorbei. Vier Männer in orangen Overalls und mit Knarren in den Händen stehen in der Einfahrt. Die sehen nicht gerade aus als würden sie uns zum Tee einladen wollen. Ich blicke zu Travis und überlege, ob er die Situation wohl im Griff hat, immerhin hat er auch eine gezückte Waffe. Dann schaue ich auf den Autoschlüssel in meiner Hand. Einen hatte ich Dana in die Hand gedrückt bevor die Schüsse fielen, denn es gibt zwei Autos, die wir laut Sam vom Feuer wegfahren sollten. Ich werfe einen Blick über die Schulter. Den Aston Martin beachtet gerade keiner, weil alle beim Pick-Up herum stehen. Die Augen der Angreifer konzentrieren sich eher auf Travis, da er die größte Bedrohung mit der Waffe darstellt. Ich überlege kurz, ob das wirklich eine gute Idee ist, aber was ist die Alternative? Hoffen, dass die augenscheinlichen Häftlinge alle spontan von einem Hirnschlag getroffen werden? Oder dass Travis alle wie in einem Western locker aus der Hüfte zackig hintereinander abknallt? Scheiß drauf!

Ich eile geduckt um den Pick-Up herum und automatisch zur rechten Seite des Aston. Für einen Moment vergesse ich, dass wir in Amerika sind, aber beim Anblick des Lenkrads dämmert mir, dass es sich beim Aston um eine britische Automarke handelt.
“Jackpot”, flüstere ich und schlüpfe vorsichtig ins Wageninnere. Geduckt quetsche ich mich hinters Lenkrad, stecke den Schlüssel ins Schloss, blicke in den Rückspiegel und trete Bremse und Kupplung durch. Ich starte den Wagen, ramme den Schalthebel in den Rückwärtsgang und wechsle von der Bremse aufs Gas. Der Motor heult auf, die Reifen drehen durch und der Aston säuft mir fast ab, weil ich die Kupplung zu schnell habe kommen lassen. Doch nach nur ein zwei Rucklern rase im Rückwärtsgang die Einfahrt hinunter auf die bewaffneten Männer zu.

‘Scheiße, scheiße, scheiße! Was machst hier eigentlich?!’, versucht mein Rest an klarem Verstand mich davon zu überzeugen, dass ich hier nicht in einem Film bin. Doch zu spät. Augen zu und durch!
Ich höre mehrere Schüsse, die den Wagen treffen, und ziehe den Kopf so gut es geht ein. Dann ertönen mehrere ‘Klonks’ und der Wagen rumpelt heftig als würde ich mit Vollspeed über mehrere Bremsschwellen rasen.
Mein Herz pocht wie wild und meine Hände krampfen sich ins Lenkrad. Ein Teil von mir will sich gerade fragen, ob ich wirklich Menschen überfahren habe und ein anderer viel lauterer Teil will mich vehement davon abhalten. Ich bremse scharf und starre auf die Einfahrt. Ich fürchte, die vier orangen Overalls, die da verteilt herumliegen, beantworten die Frage auch so ganz deutlich. Wenn die Kerle sich nicht gerade schnell umgezogen und durch Dummys ausgetauscht haben, dann hab ich die wohl gerade überfahren. Ein Gefühl der Übelkeit kriecht mir den Hals hinauf. Ich schlucke schwer. Es brennt und schmeckt eklig.

‘Atme, Blair, atme!’, versuche ich mich selbst zu beruhigen. Ein. Aus. Ein. Aus. Alles wird gut. Ich starre weiter auf die orangen Overalls. Zwei von denen haben sich etwas dunkel gefärbt. Alles gut. Atmen. Ein. Aus. Ein. Aus.
Scheiße. Rührt sich da etwa was? Zwei von den Overalls bewegen sich und versuchen sich tatsächlich gerade wieder hochzurappeln.

Wieso zum Teufel kommen die Drei nicht einfach mit? Ich blicke mich um und winke nochmal in Richtung von Travis, Tia und Rhain. Travis kommt auf mich zu, doch die anderen Beiden sehe ich nicht an seiner Seite. Als er an mir vorbei rennt, erkenne ich auch wieso. Rhain wird gerade von Tia wiederbelebt. Und wieso rennt Travis dann vor ihnen davon? Sollten Polizisten sowas nicht auch können? Sind zwei Leute nicht immer besser? Einer beatmet, einer macht Herzdruckmassage oder wie das heißt? Hinter mir knallt es gewaltig. Instinktiv ducke ich mich und versuche meinen Kopf zu schützen. War das schon die Explosion? Noch fliegen keine Trümmer. Dann höre ich weitere, kleinere Explosionen, nein Sekunde... Schüsse? Was zum...? Sie kommen aus Richtung der Wagen. Ich kann auch einen Motor aufheulen hören. Fuck, da vorne scheint irgendeine Scheiße abzulaufen. Ich kämpfe mich weiter zu Tia und kann erkennen, dass Rhain sich ebenfalls wieder regt.

"Verdammt, was geht hier ab?" bringe ich gerade so hervor, als es klingt, als habe einer der Wagen irgendwas gerammt. Ich kann nur erahnen, dass er die Auffahrt hinunter rollt, da ich immer wieder zwinkern muss, so nahe an dem brennenden Haus. "Geht's?" frage ich Tia und schaue dabei zu Rhain runter, die nach irgendwas tastet. "Kommt schon!" Ich greife nach Rhains Hand und lege Tia die andere Hand auf die Schulter. "Nichts wie weg hier! Ich hab keine Lust unseren Bus zu verpassen."

"Hast du den erledigt?"

Ich sehe zu meinem Bruder und bin mehr als erleichtert ihn an meiner Seite zu haben. Mein Blick gleitet kurz zu seiner Waffe. Zwei Schuss. Nicht viel, aber wären zwei weniger.
Ich schüttle den Kopf und deute mit einem Kopfnicken Richtung Haus. "Hab meine da vorne verloren. Der Schuss kam von irgendwo da drüben." Ich deute auf ein Gebäude auf dem Nacchbargrundstück. "Lass uns beten das der Typ auf unserer Seite ist und nicht irgendein Grisgram dem die Nachbarschaft zu laut ist." Ich werfe einen Blick am Heck das Wagens vorbei in Richtung Auffahrt. Blair klettert gerade in den Aston. Ich runzle die Stirn, beobachte wie sie den Wagen startet und dann Rückwärts die Auffahrt runter brettert. Nicht die schlechteste Idee. Sie rollt über den ohnehin schon leblosen Körper und erwischt noch drei andere. Zwei davon leider nicht lebensbedrohlich, denn sie stehen relativ schnell wieder auf. Hinter einer der Mülltonnen kann ich einen weiteren Mann entdecken.
"Noch drei. Zwei auf 11 Uhr. Einer auf 2 Uhr. Dann zeig mal wie gut du schießen kannst."